Geister-Stunde: Rolls-Royce Wraith

by • 16. Januar 2014 • MobilitätComments (0)2193

Rolls-Royce Wraith

Nach dem Phantom und dem Geist hat Rolls Royce ein Gespenst auf die Räder gestellt. Der Zungenbrecher Wraith hat bei Rolls Royce Tradition. Was aber 1938 als Pullman-Limousine auf die Straße kam, hat mit dem Gespenst von 2013 nichts mehr gemein.

Rolls-Royce Wraith

Große, schwere und lange Trumms sind bei Rolls Royce alle Modelle. Aber der Wraith ist einfach anders. Erst einmal ist er ein Gran Turismo und zwar sehr elegant geschwungen und edel. Das kennt man so von den Engländern nicht. Nur als Name beim Drophead Coupé, aber da ist es ein Cabrio auf Basis des Phantom. Zweitens ist er durch das fixe Dach ein zweisitziger Viersitzer, denn in den Fond kommen höchsten die Kinder. Das ist beim Drophead-Coupè anders, zumal dann, wenn die Mütze unten ist.

So viel zur Nomenklatur. Der Neue hat natürlich auch einiges von seinen Geschwistern übernommen. Das fängt beim Gewicht an (2.360 Kilo), geht weiter mit den Maßen (5,26 x 1,94 x 1,50 Meter) und endet noch nicht bei den hinten angeschlagenen Portaltüren. Das gesamte Interieur ist typisch Rolls-Royce. Edelste Materialien, feinste Verarbeitung, gediegenes Flair. Auch im Fond, der sehr geräumig ist. Allerdings ist der Zugang, wie erwähnt, hier auch nicht eben als easy zu bezeichnen, sondern bestenfalls mit vorgedehnten Rückenmuskeln zu empfehlen. Zumindest bei größeren Zeitgenossen. Vorne indes ist der Wraith so phänomenal komfortabel, dass die noble Sitzgarnitur daheim wie das Holzbänkchen in der Umkleide des Freibads wirkt. Natürlich gibt es keine „Sport“-Sitze, sondern feines Mobiliar, das auch für die am Stück gefahrene Strecke Helsinki – Nizza rückschmerzfreie Fahrt garantiert. Damit sich der komfortverwöhnte Mensch auch nicht zu sehr strecken muss, sind auf Fahrerseite zwei Knöpfe und auf Beifahrerseite ein Knopf zum Schließen der Portale via Elektrik anberaumt.

Rolls-Royce Wraith

Knopf gedrückt, zu und ab dafür. Den Wählhebel für den Achtgangautomaten auf D stellen, das ziemlich griffige Lenkrad fest in die Hände nehmen. Aber nicht, wie landläufig üblich in Zehn-vor-zwei-Position, sondern in Zwanzig-vor-vier-Stellung. Gas. Schon wird das Gespenst mit Leichtigkeit und kaum wahrnehmbarem Motorgeräusch auf die 20 Zöller geschoben. Wie in einem Kokon bekommt man von der lästigen Außenwelt fast nichts mit. Nur die Fein-Justierung auf die recht beachtlichen Außenabmessungen macht zunächst Probleme.

Gleitflug in der Stadt. Gleitzug auf Landstraßen. Gleit-ICE mit Luftfederung auf der Autobahn. Das kommt einem doch bekannt vor und ist mit Waftability zum ehernen Gesetz für Mobility à la Rolls geworden. Aber der Wraith kann auch anders. Gibt man ihm während gemütlicher Fahrt über Land einmal die Sporen, holt der Wraith tief Luft, was etwa einem Atemzug von 6.592 Kubik entspricht. Leistungssportler-Niveau. Aus diesem Atemzug erzeugt der 12-Zylinder muntere 632 Pferde. Das ist, mit Verlaub, Euer Lordschaft, das stärkste Aggregat ever, das in einem Rolls-Royce verbaut wurde. Und setzt den Wraith zusätzlich von seinen Geschwistern ab. Den Tritt quittiert der Wraith erst einmal mit leicht erhöhtem Motorklang (nein, kein Sound), dann lupft er leicht die Nase. Und fest unmerklich schwingt sich die Tachonadel in Richtung 200 km/h. Das Power-Meter, das gegenläufig mit spielt und den Rest der Kraft von 800 Newtonmeter verwaltet, ist zu diesem Zeitpunkt wieder auf dem Rückweg in Richtung 20 Prozent der genutzten Kraft.

Allerdings geht es beim Wraith noch weiter. Da seine Rollbewegungen um die eigene Achse wesentlich geringer ausfallen als bei den anderen Edelkarossen aus Goodwood, kann man ihn auch etwas mehr ran nehmen. Das heißt im Rolls-Royce-Speak nicht etwa sportlich („Wir bauen keine sportlichen Fahrzeuge“), sondern allenfalls und auch nur ausnahmsweise dynamisch. Und ja, das geht. Schließlich ist die Karenzzeit zwischen Null und 100 km/h mit 4,6 Sekunden recht flott ausgelegt. Für einen 2,3-Tonner. Deshalb ist der Wraith zwar kein richtiger Racer, das stimmt schon, aber er kann sehr wagemutig in Kurvenkombinationen gelenkt werden, wenn Platz zum Anschneiden der ungeraden Strecken gegeben ist. Da sollte die Lenkradhaltung angepasst werden. Zu Hilfe kommen dem Wraith dabei eine Handvoll Satelliten, die im Orbit hängen und das Fahrzeug mit ziemlich genauen Positionsdaten versehen. (siehe Interview) Die Navstars teilen dem Getriebe mit, wo sich der Wagen gerade befindet und legen vorsorglich die Stufe Zahnräder in Hab-Acht-Stellung, die vom Chauffeur/Selbstfahrer unter Umständen benötigt werden könnte. Und ja, es funktioniert. Nur das angedeutete Streicheln des Gaspedals bringt ohne jegliche Verzögerung und auch ohne hektische Schaltvorgänge den richtigen Schub zur rechten Zeit. Dies alles ist natürlich an eine winzige Kleinigkeit gebunden: 279.531 Euro. Als Basispreis.

Das ist dann in der Tat gespenstisch. Denn nach oben ist auch beim Wraith die Preisskala offen, wie sich das für einen noblen Hobel nun einmal gehört. Ob die bei Bentley den Schuss gehört haben und nun die Preise für den Continental GT erhöhen, ist nicht überliefert. Fest steht: Wer sich Satelliten ins All hängen kann, um die Ausfahrt mit dem Auto gespentisch-geschmeidig zu gestalten, der baut keine sportlichen Autos, geschweige denn preisgünstige Standardware aus dem Großserienregal.

Nota bene: Mann kann den Wraith durchaus mit zu Festen nehmen. Das Trinken seiner Familiemitglieder hat er nicht übernommen. Durchschnitt sind 14 Liter. Es geht aber auch mit acht bis neun auf leichter Sohle.

Interview mit Dr. Nils Griffel, der sich den Clou mit dem Getriebe ausgedacht hat

Das mitdenkende Getriebe ist ein First-Ever im Automarkt. Wie funktioniert das?

Die Navigation im Rolls-Royce ist keine für sich allein arbeitende, isolierte Funktion. Die umfangreiche Vernetzung der weltweit unterschiedlichen Navigationssysteme mit weiteren Steuergeräten im gesamten Fahrzeug schafft die Basis, um derartige Funktionen zu ermöglichen.

Wer spielt in dem Netzwerk denn noch mit?

Die Navigation ist durch die Nutzung zusätzlicher Fahrzeugsensoren in der Lage, eine bessere Ortsbestimmung vorzunehmen, als dies allein durch die Nutzung von Satellitensignalen möglich wäre. Des weiteren ermöglicht es die Vernetzung dem Automatikgetriebe, auch Entscheidungen unter Berücksichtigung auf die Fahrzeugumgebung zu treffen.

Wie werden die Daten denn aufbereitet?

Die Übertragung der Daten erfolgt über Bussysteme, die in der Automobilbranche heutzutage zum Standard gehören.

Bei den Datenmengen gibt es doch sicher unterschiedliche Versionen?

Unsere Fahrzeuge sind mit dem Kartenmaterial der jeweiligen Ziel-Region versorgt. Aufgrund der gewaltigen Datenmengen hat zum Beispiel ein europäisches Fahrzeug nur die Europa-Karte verfügbar und keine Informationen zu Amerika oder Asien.

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